TSV Lunestedt
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12.02.2014 Landesmeisterschaften Herren in Georgsmarienhütte

Marcel Czichy - ein Strauß voller Wunderschläge

Wer kennt diese Postkarten der Firma „Grafikwerkstatt“ mit den teils tiefgründigen, teils liebevollen, teils lustigen und teils nachdenklichen Sprüchen, die man zu geeigneten Anlässen verschenken kann? Ich habe eine dieser Karten zu Hause an meiner Pinnwand hängen. Der Spruch lautet: „Alle sagten das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat's einfach gemacht.“

Als ich am letzten Sonntag von der Landesmeisterschaft wiederkam, habe ich zufällig auf diese Karte geschaut und musste sofort an Marcy denken. Er hatte wenige Stunden zuvor einen überragenden zweiten Platz bei der Landesmeisterschaft belegt. Vor Turnierbeginn hätten alle gesagt, dass das nicht ginge. Doch dann kam Marcel, der das wohl nicht wusste, und hat's einfach gemacht. Was das Ganze so unglaubwürdig erscheinen lässt ist das letzte Punktspiel gegen die TSG Dissen, bei dem Marcel keine besonders gute Figur gemacht hatte und sich im Anschluss ernsthaft die Frage stellte, wofür er das alles auf sich nehme. Wofür er ständig trainiere, wofür er etliche Kilometer im Auto verbringe, wofür er andere Dinge für Tischtennis vernachlässige, obwohl es ihn nicht in dem Maße voranbringe, wie er es gerne hätte. Sowieso schien er mit den Gedanken schon bei der anstehenden 2,5 monatigen Weltreise zu sein.

Und dann fuhr er durch die Absage von Yannick Dohrmann als erster Nachrücker nach Georgsmarienhütte und fegte im ersten Gruppenspiel Niko Marek (MTV Jever, OL vorne) von der Platte und setzte damit das erste Ausrufezeichen. Da ging dann auch die 1:4-Niederlage gegen Maxi Dierks (SV Bolzum, RL vorne) in Ordnung, denn durch den Sieg gegen Marek hatte er es im entscheidenden dritten Einzel gegen Jörn Petersen selbst in der Hand. Marcy spielte gut und führte bereits mit 3:1, ehe es nochmal eng wurde. Matchbälle blieben ungenutzt – der siebte Satz musste her. In überzeugender Manier löste er hier mit einem 11:7 das Ticket für die Hauptrunde.

Dort wartete kein geringerer als Lars Beismann (SV Bolzum, RL mitte), der sich in meiner Gruppe nur einen Satz abnehmen ließ. Marcy witzelte vor dem Spiel, dass er gegen Beisi noch nie auch nur einen einzigen Satz gewonnen habe. Unbekümmert, griffig und mutig trat er auf und Beismann wirkte überrascht. Hatte er Marcel unterschätzt? Vielleicht. Das Spiel drohte nochmal zu kippen, doch Lunestedts Nummer drei hielt dagegen und war in den entscheidenden Situationen hellwach. Drei der vier Sätze gewann er mit 11:9, das Spiel insgesamt mit 4:1. Allein das war ein großer Erfolg, doch damit nicht genug.

Im Viertelfinale wartete mit Jens Klingspon (SV Bolzum, RL vorne) der nächste Brocken. An eins gesetzt, galt er sogar als Turnierfavorit. Alles Dinge, über die man sich 'nen Kopf machen kann – Marcy tat das jedoch nicht. Im Gegenteil. Nach guten Sätzen war von Angst vorm Gewinnen keine Spur. Klingspon nahm im fünften Satz eine Auszeit, um sich von Coach Beismann sagen zu lassen, was man gegen Marcel vermeiden sollte. Doch die Taktik von Marcel und seinem Coach Julia Maier war nicht zu durchbrechen. Mit einem lauten Jubelschrei und verwandelte er vor den Augen der mitfiebernden Lunestedter und Huder Spieler seinen ersten Matchball zum 4:1 und stand damit sensationell im Halbfinale.

Hier musste er eine völlig neue Taktik wählen, da sein Gegner, Björn Ungruhe (Tus Celle, RL vorne), eine ungewöhnliche Spielweise an den Tag legte. Schwer zu lesende Aufschläge, die kurze, am Tisch gespielte, Noppe und die kraftvolle Vorhand von Entertainer Ungruhe machten ihm das Leben schwer. Doch was Marcel bei diesem Turnier besonders auszeichnete, war seine Unbekümmertheit und der Glaube daran, die Matches gewinnen zu können – egal gegen wen. Zurecht fragte sich Ungruhe für alle hörbar „Hast Du überhaupt schon EINEN Vorhandfehler gemacht?“ oder kommentierte Marcys Galavorstellung mit den Worten „Marcel Czichy – ein Strauß voller Wunderschläge“. Die Partie spielte sich auf hohem Niveau und auf Augenhöhe ab, sodass der siebte Satz die logische Konsequenz war. Bei 9:9 war die Stimmung bei Spielern und den sehr interessierten Zuschauern auf dem Siedepunkt. Langer Ballwechsel, Ungruhe hinten an der Bande, Schnittabwehr. Marcel mutig, schupft nicht, sondern zieht. Ungruhe macht den Fehler, die Halle tobt. Als Ungruhe im Anschluss noch einen direkten Returnfehler macht, bekommt Marcel das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht und fällt Julia Maier in die Arme. Matti und ich schüttelten nur noch lachend mit dem Kopf und wussten nicht, was dieser Kerl hier eigentlich gerade veranstaltete. Das wusste keiner so recht, doch es gefiel allen=.

Im Finale hatte er dann die Chance, sich für 1:4-Pleite aus der Vorrunde gegen Maxi Dierks zu revanchieren, doch hier war dann endgültig Endstation für unseren Überraschungsfinalisten. Dierks spielte unglaublich stark, machte kaum Fehler und bestach immer wieder durch seine gute Vorhand. Als Marcel den Satz zum 1:3 gewinnen konnte und Ungruhe von der Tribüne rief „Da ist er wieder... der Mann der gegen mich gewinnen konnte.“ keimte nochmal etwas Hoffnung auf, doch Dierks ließ sich den Titel nicht mehr nehmen und gewann mit 4:1. Traurig war Marcel allerdings nicht. Er hatte ein riesiges Turnier gespielt. Nie zuvor hatte ich ihn so stark gesehen. Umso ärgerlicher, dass er das für die Deustchen Meisterschaften gelöste Ticket aufgrund seiner Reise nicht wahrnehmen kann. Doch wie er selbst sagt reicht schon die Gewissheit darüber, sich für ein solches Event qualifiziert zu haben, vollkommen aus. Am kommenden Wochenende wird Marcel die für diese Saison letzten beiden Punktspiele für Lunestedt bestreiten. Hoffentlich kann er den Schwung des Erfolges mitnehmen und ihn auf die Mannschaft übertragen, damit wir vier Punkte holen können.

Matti und ich haben übrigens auch mitgespielt bei der Landesmeisterschaft. Diesen Absatz halte ich nun aber bewusst kurz, da Marcels Auftritt alles in den Schatten stellte.

Sowohl Matti als auch ich kamen als Gruppenzweiter ins Achtelfinale, mussten da aber unseren Gegnern gratulieren. Matti zog beim 1:4 gegen Dwain Schwarzer den Kürzeren, obwohl er ihn noch kurz zuvor im Punktspiel geschlagen hatte. Er sagte über sich selbst, dass es nicht seine beste Leistung war, während Schwarzer mächtig Dampf machte. Parallel machte ich ein aus meiner Sicht sehr gutes Spiel gegen den späteren Landesmeister Maxi Dierks. Ich holte einen 1:3-Satzrückstand auf und hatte Dierks bei 9:8 im siebten Satz am Rande einer Niederlage. Doch es sollte nicht klappen – mit 12:10 gewann Dierks die Partie. 

Im Doppel erreichten Matti und ich das Viertelfinale. Dort verkauften wir uns bei der Niederlage gegen das spätere Landesmeister-Doppel Klingspon/Dierks etwas unter Wert und verloren mit 0:3.

Doch das war im Endeffekt auch egal. Es lebe der neue Vize-Landesmeister aus Lunestedt, es lebe „Magic Marcy“.

Videos aus Hude von den Landesmeisterschaften...

Dennis Heinemann