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Senioren-WM Oman 2023
Ich in den Oman? Und dort womöglich im Ganzkörperoutfit spielen? Ganz sicher nicht. Bis eine gute Bekannte, die viel im Oman gearbeitet hat, meinte: „Freia, wenn du die Chance hast, in den Oman zu reisen, mach' es!“ Also nochmal eben nachgesehen, wo er genau liegt und die Entscheidung war getroffen. Von meinen EM/WM-Reisegefährten aus Lunestedt blieb ich als einzige übrig, aber das ist manchmal so. Nach 6,5-stündigem Flug über das Schwarze Meer, die Türkei, Syrien, den Irak, Persischen Golf (beim Flug sind die Konfliktgegenden so nah dran, gar nicht so weit weg wie in den Nachrichten) kommen wir abends in Muscat an und eines wird ganz deutlich: Energieprobleme haben sie hier nicht.
Ab Montag den 16.1. nun sollten 1221 Teilnehmende aus 69 Nationen um die WM-Würden kämpfen, wobei bekannte Namen wie Josef und Zsolt-Georg Böhm, Andreas Fejer-Konnert (für Rumänien) und Yansheng Wang, der im Punktspiel gegen unsere 1. Herren Martin und Elger die sportlichen Grenzen aufzeigte und bewies, dass er einen Altersbonus wirklich noch nicht nötig hat.
Bei mir sind die Ergebnisse schnell aufgelistet. Einzel: Gruppenerste mit 3:0, Hauptrunde Freilos, dann nach 2:0 Führung 3:2 verloren. Doppel mit Gabi Kochanski, Hamburg: Gruppenerste mit 3:0, Hauptrunde Freilos, dann raus gegen 2 Amerikanerinnen. Also die Freilose lagen mir nicht so. Erstmalig wurde aufgrund der geringeren Teilnehmerzahl auch Mixed ausgetragen. Mit Olaf Kath (Böblingen), den ich beim Frühstück kennengelernt hatte, ging es in die Arena, leider auch mit 1:2 direkt in die Consolation. Nach gewonnenem Spiel trafen wir auf die mir gut bekannten Anka und Michael Mutke, gegen die wir aber nach ziemlich gutem Spiel 3:1 verloren. Nun konnte ich mich also mehr um den zuschauerischen und kulturellen Bereich kümmern. Ich finde es immer wieder beeindruckend, zu welchen Leistungen alle Teilnehmenden trotz altersbedingter Einschränkungen bis in die höchsten Altersklassen, immerhin zwischen 85 und 90 (!), fähig sind. Ob wir mit 85 noch den Flug nach Australien wagen werden, da muss man wohl erst einmal abwarten. Außerdem diese weltweite Verbundenheit durch den Sport (da fliege ich 2018 mit 2 Freundinnen nach Alaska, wir werden abgeholt und auf dem Rückweg erklärt uns unsere Bekannte, dass sie doch gerne gleich zum T.T. an die Uni Fairbanks fahren würde. Was machen wir wohl? Keine Frage!), die es oftmals schafft, politisch Unüberwindbares in den Hintergrund treten zu lassen. Es spielt nicht Iran - Irak, sondern zwei Menschen gegeneinander, die ein gemeinsames Hobby haben.
Was es sonst noch so gab. Die Deutschen stellten in diesem Jahr nicht das stärkste TeilnehmenInnenkontingent, sondern Indien. Das wiederum liegt daran, dass von den ca. 4.8 Mio. Einwohnern 1.3 Mio. aus Indien stammen, zugewandert oder auch als Arbeitskräfte.
Innerhalb von 2 Wochen, davon eine in der Sporthalle verbracht, lässt sich niemals recht hinter die Fassaden eines Landes blicken. Ganz offensichtlich ist jedoch diese absolute Freundlichkeit, die Null-Aggressivität in der Sprache, in der Gestik. Meine Freundin drückte es so aus: Die Mundwinkel sind immer nach oben gezogen, nie nach unten. Alles für die Touristen? Mag sein, aber in den Malls, abends in den Straßen, gegenüber den Kindern? Die Leute wirken wirklich sehr zufrieden. Und das bei einem arabisch-islamistisch geprägten Land mit einem absoluten Herrscher? Der allerdings, auch was den Glauben betrifft, eine sehr gemäßigte Sichtweise vertritt. Geprägt hat insbesondere der langjährige Sultan Quabus bin Said das Land. Der sehr geschätzte Herrscher war von 1970 bis zu seinem Tod 2020 Regent und hat offensichtlich den Spagat zwischen Weltoffenheit und Tradition gut hinbekommen. Im Jahr 2003 wurde unter ihm erstmalig eine Ministerin ernannt.
Übrigens: Alkohol Fehlanzeige. Es gibt ihn in einigen wenigen Hotels, 0,3 l kosten 18,- Euro. Das ist schon eine Ansage, bei uns undenkbar. Von wegen, Tiger, mal eben 3 l auf dem Weg nach Rimini... Du wärst raus. Auch gibt es ganz wenig Polizeipräsenz. Allerdings sind die Strafen auch drastisch. Auf Drogenbesitz/Konsum steht noch immer die Todesstrafe, Sex vor der Ehe ½ Jahr Knast, ist ein Partner/eine Partnerin verheiratet, 2 Jahre. Okay, dann wissen wir Bescheid. Die Rolle der Frau? Für mich nicht einschätzbar. Sie wirken sehr aufgeschlossen, sind rechtlich dem Mann gleichgestellt, es besteht Schulpflicht. Die Frau unseres Guide studiert Architektur, eine andere, ohne Kopftuch, sprach mich an, woher ich komme. Sie studiert Deutsch an der Uni in Nizwa. Aber was ist nach dem Studium? Müssen sie in ihr Hausfrauen/Mutterdasein zurück? Fragen über Fragen.
Nun bin ich mit vielen neuen Eindrücken zurück. Was mir hier richtig gut gefällt, ist der Umstand, dass ich irgendwie/irgendwo mit Sicherheit von einer Straßenseite auf die andere komme. Der Oman ist auf Autos eingerichtet, Fußwege hören einfach in einer vierspurigen Straße auf, bzw. sind vorher noch ca. 30 cm breit, also für Ältere, RollstuhlfahrerInnen, Kinder völlig ungeeignet. Fahrräder gibt es ohnehin nicht, leider auch keine Brücken, Tunnel, Ampeln. Eine habe ich gesehen, die führte zum PKW-Parkplatz, dafür gibt es ca. alle 2 km einen „Blitzer“.
Fazit: Es war genau die richtige Entscheidung, im Oman zu spielen und dort zu reisen. Nun freue ich mich schon auf die EM in Sandefjord, zusammen mit den Lunestedter „Unverwüstlichen“.
Freia Runge
Ergebnisse auf wvc2023.ittf.com
Einzel 65
Gruppe: Anna Volková (SVK) 3:0 (5, 11, 4)
Gruppe: Brit Hansen (NOR) 3:0 (2, 4, 7)
Gruppe: Mythili Sodhi (IND) 3:0 (6, 9, 5)
Achtelfinale: Ranjana Patki (IND) 2:3 (10, 8, -4, -7, -5)
Doppel 65 mit Gabi Kochanski
Gruppe: Junko Ogura/Sunanda Vivek Rao (JPN/IND) 3:0 (14, 7, 8)
Gruppe: Brit Hansen/Astrid Larsen (NOR) 3:1 (-11, 3, 2, 6)
Gruppe: MinMing Zhu/Christina Roth (USA/GER) 3:0 (1, 11, 3)
Viertelfinale: TingNing Cheung/Wendy Fang (USA) 1:3 (-8, 5, -6, -7)
Mixed 60 mit Olaf Kath
Gruppe: Hirokazu Kinashi/Emiko Sagisaka (JPN) 0:3 (-7, -9, -9)
Gruppe: Ravi Gulgule/Shyamala Datar (IND) 3:0 (4, 10, 5)
Gruppe: Sanjay Metha/Udval Luvsanjamba (IND/MGL) 1:3 (-9, -7, 6, -9)
TR-Viertelfinale: Rajen Kothari/Geeta Kumthekar (IND) 3:0 (4, 7, 7)
TR-Halbfinale: Michael Mutke/Anka Mutke (GER) 1:3 (-7, 5, -8, -9)
Der Aufstieg glich eher dem Rodeo, aber in der TSV-Jacke bestimmt gar kein Problem
Gut, dass wir dabei nicht umgekippt sind.
Vier Stunden Stau in den Bergen
Foto ITTF